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04.02.2022

Erosionsschutz der UNESCO-Welterbestätte Sutz-Lattrigen, Rütte

Am Ufer des Bielersees, vor dem Von Rütte-Gut in Sutz-Lattrigen, befinden sich archäologische Schichten von prähistorischen Pfahlbauten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Durch fortschreitende Ufer- und Sohlenerosion wurden in den letzten Jahren Teile der Pfahlbauten freigelegt und dem Verfall freigegeben. Basierend auf einem Variantenstudium der EPFL haben wir im Auftrag des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern ein Schutzkonzept zur Konservierung der Pfahlbauten erarbeitet sowie die Bauleitung während der Ausführung wahrgenommen.

Bereits in den 1990er-Jahren unternahm der Archäologische Dienst des Kantons Bern einen ersten Versuch, die über 4 000 Jahre alten prähistorischen Pfahlbauten mit einem Palisadenzaun vor dem Verfall zu schützen. Dabei stellte sich heraus, dass der Zaun durch das Wasser zerstört wird. Daher musste eine neue und nachhaltigere Lösung gesucht werden. Die zu schützenden Pfahlbauten liegen im Bereich des heutigen Uferwaldes, erstrecken sich jedoch zusätzlich rund 50 bis 70 m in den Bielersee hinein.

Zusammen mit der Bauherrschaft, den kantonalen Amts- und Fachstellen und dem Landschaftswerk Biel-Seeland haben wir ein neues Konzept zum Schutz der archäologischen Schichten erstellt. Dank frühzeitiger Einbindung der unterschiedlichen Interessensgruppen in den Planungsprozess konnte das Projekt im Frühjahr 2020 mittels Baugesuch mit diversen Ausnahmebewilligungen (Bauen ausserhalb des Baugebiets, Unterschreiten des Waldabstandes, Bauen im Gewässerraum, Eingriffe in die Ufervegetation sowie fischereirechtliche Bewilligung) im ersten Anlauf und ohne Einsprachen genehmigt werden. Kurz darauf wurden die Baumeisterarbeiten vergeben.

Das erarbeitete Schutzkonzept umfasst drei Kernelemente: Als erstes wurde ein rund 130 m langer vorgelagerter Wellenbrecher aus Kalksteinblöcken erstellt. Damit die baulichen Massnahmen einen ökologischen Mehrwert schaffen, wurden 26 Wurzelstämme in den neuen Damm integriert, die insbesondere Jungfischen wertvolle Lebensräume bieten. Durch den neuen Damm werden die Wellen gebrochen, so dass eine fortschreitende Unterspülung des Uferwalds verhindert werden kann. In einem zweiten Schritt wurde das erodierte Ufer hinter dem Wellenbrecher mittels Kiesschüttung stabilisiert. Anschliessend wurde eine flächige Sohlensicherung vor dem Wellenbrecher geschüttet. Auf 9 000 m2 Fläche wurden rund 3 150 m3 Grobkies und Steine eingebracht. Die Korngrössen wurden dabei so gewählt, dass auch bei starkem Wellengang oder starker Seeströmung keine wesentliche Verfrachtung auftritt. Das Ziel der Massnahmen ist die Erhaltung und der Schutz vor Zerfall der historischen Bauten, so dass diese zu einem späteren Zeitpunkt geborgen werden können.

Eine besondere Herausforderung war die Baustellenerschliessung. Da der an das Seeufer angrenzende Wald im kantonalen Waldnaturinventar eingetragen und zudem Teil des nationalen Inventars potenzieller Biotope ist, musste die Erschliessung komplett über den Seeweg erfolgen. Sämtliche Bauarbeiten wurden deshalb von einem rund 30 m langen und 12 m breiten Ponton aus durchgeführt, und die Materiallieferungen und Materialumlagerungen erfolgten seeseitig mit Transportschiffen. 

Eine zweite Herausforderung war das Einbringen der flächigen Erosionssicherung sowie die Kontrolle der eingebrachten Materialmenge. Aufgrund des stellenweisen sehr flachen Seeufers war eine Zweitbefahrung mit dem Ponton nach eingebrachter Schüttung nicht mehr möglich. Eine visuelle Kontrolle war wegen der durch die Schüttung verursachten Trübung unmöglich. Wir wählten daher moderne GPS-Technik und tägliche Bilanzierungen der eingebrachten Materialmengen. In den kommenden Jahren führt der Archäologische Dienst des Kantons Bern ein Monitoring durch, um die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Schutzmassnahmen zu überprüfen. Kernelement des Monitorings sind Erosionsmarker, die im Bereich der Sohlensicherung eingebracht wurden und Veränderungen der Stabilität der neu geschütteten Schutzschicht messen.

Dank der engen und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Bauunternehmung, Amts- und Fachstellen sowie Planern und Bauleitung konnte das Projekt termingerecht und im Rahmen des bewilligten Kredites realisiert werden.