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26.06.2023

Neue Zahnradbahn auf den Pilatus

Die neue Zahnradbahn auf den Pilatus hat am 05. Juni 2023 den Betrieb aufgenommen. Der erste Betriebstag mit Fahrgästen am 5. Juni 2023 verlief gemessen am Innovationsschritt nahezu perfekt. Insgesamt wurden 1'500 Fahrgäste auf den Berg befördert. Die Idee zur Modernisierung der steilsten Zahnradbahn der Welt wurde von Emch+Berger entwickelt. Gemeinsam mit den Pilatus Bahnen wurde ein Betriebskonzept erarbeitet, das mit weniger Fahrzeugen die gewünschte Kapazitätssteigerung erzielt.
Der Bahngesellschaft in Alpnachstad lobte das neue System, das auch bei kurzfristigen Störungen eine Weiterfahrt ohne grosse Verspätungen ermöglicht. Beispielsweise am Morgen, als es eine kleine Verspätung gegeben hatte, nachdem ein Triebwagen die Ortung verloren hatte. Dieser konnte mit reduzierter Geschwindigkeit weiterfahren, bis er einen RFID-Tag überfahren hatte, und er seine genaue Position auf dem Streckennetz wieder fand. Auch an den Einstiegstüren gab es den ganzen Tag über keine störenden Ausfälle. Die Fahrgäste, die seit kurzem ihren Zug online reservieren können, sind von der Panoramaaussicht begeistert.

Sieben Jahre für die Modernisierung der Zahnradbahn

Mitte 2016 haben die Pilatus Bahnen mehrere Ingenieurbüros um Unterstützung bei der Beschaffung neuer Zahnradfahrzeuge gebeten. Den Zuschlag erhielt Emch+Berger, die eine Analyse der damaligen Betriebssituation sowie mögliche Verbesserungen mit neuem Rollmaterial vorschlugen. In Zusammenarbeit mit der Bahn wurde ein Betriebskonzept vorgeschlagen, das mit weniger Fahrzeugen die geforderte Kapazitätssteigerung von 25% erreichte. Es wurde nicht nur ein Pflichtenheft für neue Fahrzeuge erstellt, sondern auch bauliche Massnahmen an der Infrastruktur vorgeschlagen. Auch die Sicherheit des Bahnbetriebs wurde untersucht, um die immer wieder auftretenden Zwischenfälle (Kollisionen beim Rangieren, Einfahren in Gruben bei falsch gestellter «Weiche») zu vermeiden. In sieben Jahren intensiver Arbeit mit Partnern entstand die modernisierte Zahnradbahn. Insgesamt investierten die Pilatus Bahnen 55 Millionen CHF in das Projekt. Die baulichen Anpassungen sollten dabei den Bahnbetrieb möglichst wenig beeinträchtigen. So wurde die Anpassung des Bahnhofs Alpnachstad etappenweise, grösstenteils während der Wintersaison ohne Bahnbetrieb, realisiert. In Pilatus Kulm war es genau umgekehrt. Auf 2'100 m ü. M. waren Winterarbeiten witterungsbedingt nicht möglich, so dass die Bauarbeiten dem Bahnbetrieb angepasst und im Sommer ausgeführt werden mussten.

Neuer barrierefreier Zugang auf Pilatus-Kulm

In Alpnachstad wurde bergseitig ein zweiter Perron gebaut. Wegen der Gleisneigung von 36% sind alle Perrons als Treppen ausgeführt, was für Personen mit eingeschränkter Mobilität ein Hindernis darstellt. Deshalb ist das unterste Abteil der neuen Triebwagen etwas grösser als die anderen fünf. In Alpnachstad ist dieses Abteil ebenerdig zugänglich. In der Bergstation befindet es sich am talseitigen Ende des Bahnhofs, acht Meter tiefer als der Ausgang. Deshalb wurde zwischen den beiden Gleisen ein Liftturm gebaut, der über eine Passerelle mit dem Publikumsbereich verbunden ist. So ist die Transportkette vom Tal auf den Berg gewährleistet.

Mehr Sicherheit dank zwei neuen Aussenperrons
In der neuen Station Alpnachstad kann auf jedem der beiden Stationsgleise eine Doppeltraktion bereitgestellt werden. Pro Abfahrt können somit maximal 2 x 94 Passagiere einsteigen. In der Mittelstation befand sich aufgrund der Türanordnung der alten Fahrzeuge zwischen den beiden Kreuzungsgleisen eine Perrontreppe. Die Fahrgäste mussten die Gleise überqueren, was mit gewissen Gefahren verbunden war. Jetzt gibt es zwei Aussenbahnsteige und die Gleise müssen nicht mehr überquert werden, da es eine bestehende Brücke über die Gleise existierte.

Herrlicher Panoramablick

Die neuen Triebwagen wurden fahrgastfreundlich gestaltet: Das Fahrzeug ist nun vom Boden an rundum verglast. Lediglich der Bereich unter dem Stromabnehmer und dem Bremswiderstand ist unverglast. Schon unsere erste Offerte zierte die Titelseite mit der Zeichnung eines modernen Triebwagens mit Glasdach. In den alten Triebwagen hatten nur die Fahrgäste an den Seitenfenstern eine gute Aussicht.

Mehr Tempo trotz mehr Gewicht

Das Pflichtenheft sah vor, dass der Gleiskörper mit Zahnstange, der heute noch weitgehend aus dem Jahr 1889 stammt, durch die neuen Fahrzeuge nicht mehr beansprucht sein durfte als durch die Triebwagen von 1937. Das erforderte zwei Antriebe, um die Zahnkräfte an der Zahnstange beim Fahren und Bremsen nicht zu erhöhen. Die heutigen Sicherheitsnormen erlauben es nicht mehr, die Fahrzeuge so leicht zu bauen wie 1937. Der neue Triebwagen wiegt leer 13,1 Tonnen und ist damit rund drei Tonnen schwerer. Er fasst auch 20 Prozent mehr Fahrgäste, was ebenfalls zu einer Gewichtszunahme führt. Die höhere Fahrgeschwindigkeit bei Bergfahrten führt zu einer stärkeren Motorisierung. In der Projektierungsphase musste untersucht werden, ob die Stromversorgung in Alpnachstad für den Betrieb mit den neuen Triebwagen ausreicht. Eine vereinfachte Berechnung zeigte, dass die Rekuperation der talwärts fahrenden Triebwagen den Mehrbedarf der bergwärts fahrenden Fahrzeuge mehr als deckt. Der Umbau des Bahnhofs Alpnachstad und der Liftturm in Pilatus Kulm erforderten einige Anpassungen an den Fahrleitungsanlagen.

Neue Triebwagen kuppelbar

Um einen rationellen Betrieb zu ermöglichen, sind die neuen Triebwagen untereinander kuppelbar und verkehren im Normalbetrieb immer zu zweit. Das Depot Alpnachstad liegt in Hanglage und wird über eine Schiebebühne an der Einfahrt zum Depot erschlossen, die den Abmessungen der alten Triebwagen aus dem Elektrifizierungsjahr 1937 entspricht. Ein Umbau für längere Fahrzeuge hätte enorme Kosten verursacht. Deshalb haben die neuen Triebwagen die gleichen Außenabmessungen wie ihre Vorgänger. Der grosse Unterschied liegt im Wegfall der Führerstände. Dadurch konnte die Kapazität der Fahrzeuge von 40 auf 48 Sitzplätze erhöht werden. Für die Bedienung werden zwei Sitzplätze gesperrt und ein kleiner Führerstand eingerichtet. Zudem verfügen die neuen Fahrzeuge an beiden Seiten jedes Abteils über eine Einstiegstür, da es keinen Innendurchgang zwischen den Abteilen gibt. Die alten Fahrzeuge hatten nur auf der rechten Fahrzeugseite eine Einstiegstür pro Abteil.

Trennung Güter- und Personenverkehr - neue Güterhalle in Alpnachstad

In der Bergstation werden nur noch die beiden Gleise der neuen Bahnhofshalle aus den sechziger Jahren mit Personenzügen bedient. Das Bahnhofsgleis aus der Eröffnungszeit dient nur noch dem Güterverkehr. Damit sind Personen- und Güterverkehr klar getrennt. In Alpnachstad ist dies aus Platzgründen nicht möglich. Deshalb wurde in Verlängerung des bergseitigen Gleises eine Güterhalle gebaut. Hier wird das Transportgut für den Berg bereitgestellt. Ein Hallenkran ermöglicht dann das rasche Beladen des Gütertriebwagens, da dies zwischen dem Personenverkehr erfolgen muss. Vor dem Eintreffen der Personentriebwagen muss der Gütertriebwagen auf ein Abstellgleis fahren. Sobald die beiden Doppeltraktionen im Bahnhof stehen, kann der Gütertriebwagen die Bergfahrt antreten. Wenn die beiden talwärts fahrenden Doppeltraktionen in der Kreuzungsstation Aemsigen angekommen sind, kann der Gütertriebwagen nach Pilatus-Kulm weiterfahren. Die Talfahrt erfolgt, sobald er entladen ist, hinter den Personentriebwagen. In Alpnachstad wird er auf das Abstellgleis gefahren und erst nach Abfahrt der Personenzüge entladen.

Neue Gleiswendeanlage im Bahnhof Alpnachstad

Vor der Modernisierung gab es im Bahnhof Alpnachstad zwei Schiebebühnen. Auf diesen wurden die Triebwagen seitlich auf das andere Gleis geschoben. Dies war zeitaufwändig und beschränkte die Zuglänge auf einen Triebwagen. Um mit den längeren Doppeltraktionen fahren zu können, waren wie in Pilatus-Kulm Gleiswender notwendig. Die liegende doppelte Zahnstange System Locher der Pilatusbahn kann nicht gebogen werden, was konventionelle Weichen nicht erlaubt. Deshalb gibt es zwei Arten von Weichen: Wenn genügend Breite vorhanden ist, wird auf einer Schiebebühne ein Gleisstück für die Fahrt nach links und eines für die Fahrt nach rechts gebaut. Die Schiebebühne wird entsprechend des benötigten Fahrweges positioniert. Die Kreuzungsstation Aemsigen ist so ausgeführt. In Alpnachstad und Pilatus-Kulm sind Gleiswender eingebaut. Auf einer Kassette ist auf der einen Seite das Gleis für die Fahrt nach links und auf der anderen Seite das Gleis für die Fahrt nach rechts eingebaut. Je nach Fahrtrichtung wird die Kassette in Längsrichtung um 180° gedreht. Die beweglichen Gleiselemente wurden anfangs von Hand, später elektrisch angetrieben, aber vor Ort bedient.

Triebwagen-Ausstattung mit Elektronik

Die neuen Triebwagen sind mit Elektronik ausgestattet: Neben den beiden unabhängigen Traktionsausrüstungen für die beiden Fahrmotoren gibt es das Fahrgastinformationssystem für die Lautsprecherdurchsagen. Auch die Sicherheitseinrichtungen nehmen Platz in Anspruch. Deshalb befinden sich unter den meisten Sitzen Gerätekästen mit den kleineren elektrischen Komponenten. Die grossen Komponenten sind im Untergestell eingebaut. In der Werkstatt Alpnachstad wurde deshalb eine Wartungsgrube gebaut. Um die Glasdächer reinigen zu können, wurde bei der Einfahrt ins Depot eine überdachte Wartungsbühne erstellt, die nur bei abgeschaltetem Fahrstrom bestiegen werden kann.

Neue Sicherungsanlagen mit in den Führerstand integrierter Signalisierung

Neu sind Sicherungsanlagen, die eine Steuerung durch die Leitstelle Alpnachstad ermöglichen. Dieses System sichert auch die Strecke. So ist es nicht mehr möglich, ein falsch positioniertes bewegliches Gleiselement zu befahren. Ein Kollisionswarnsystem verhindert zudem Auffahrunfälle zwischen zwei Triebwagen.
Entlang der gesamten Strecke wird die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der Fahrtrichtung überwacht. Auf den beweglichen Gleiselementen und entlang der Bahnsteige beträgt diese 6 km/h. Ansonsten kann bergwärts mit 15 km/h gefahren werden. Die Talfahrt erfolgt je nach Steigung mit 9 oder 12 km/h. Die alten Triebwagen fuhren bergwärts mit maximal 12 km/h. Beladen verringerte sich diese Geschwindigkeit leistungsbedingt noch etwas. Die Talfahrt war auf 9 km/h begrenzt. Durch die Geschwindigkeitserhöhung konnte mit den neuen Fahrzeugen der Takt verdichtet werden. Mit dem heutigen Fahrplan können mit vier Fahrern 25% mehr Personen befördert werden als früher mit zehn Fahrern.

Was hat Emch+Berger zu diesem anspruchsvollen Projekt beigetragen?

Die Idee zur Modernisierung der steilsten Zahnradbahn der Welt wurde von den Spezialisten des Bereichs Bahnsysteme entwickelt. Dieses Betriebskonzept führte zu einem Fahrzeugpflichtenheft und einem Realisierungsprojekt für die Infrastruktur. Dafür musste beim Bundesamt für Verkehr ein Plangenehmigungsdossier eingereicht werden. Nach dreizehn Monaten Prüf- und Bearbeitungszeit beim BAV, wurde die Baubewilligung erteilt. Erst dann konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Die Pilatusbahn hatte ein Lichtraumprofil aus dem Jahr 1936, das den heutigen Anforderungen des BAV nicht mehr entsprach. Die Spezialisten des Bereichs Bahnsysteme ermittelten das Lichtraumprofil rückwirkend anhand der in Betrieb stehenden Fahrzeuge. Während der gesamten Bauphase mussten alle beteiligten Firmen koordiniert werden. Emch+Berger war bei den Besprechungen beim Hersteller der neuen Fahrzeuge dabei und konnte seine langjährige Erfahrung im Bau von Zahnradbahnfahrzeugen einbringen. Sehr anspruchsvoll war die Zulassung der neuen Sicherungsanlagen, da diese vom BAV als innovativ eingestuft wurden. Der Sicherheitsnachweis für die Sicherungsanlagen wurde konsequent nach einer Vorlage des VöV durchgeführt. Dies hat dazu beigetragen, dass dieser Sicherheitsnachweis in Rekordzeit erstellt werden konnte und die Betriebsbewilligung rechtzeitig in der Woche vor der Eröffnung mit Fahrgästen erteilt wurde. Bis zum Saisonende sind nun noch einige Auflagen aus dieser Betriebsbewilligung zu erfüllen.
Die kostengünstige Modernisierung der Zahnradbahn auf den Pilatus könnte auch anderen Zahnradbahnen Anregungen geben, ihren Betrieb rationeller und vor allem sicherer zu gestalten. Bisher verkehrt noch keine andere Zahnradbahn mit einer Sicherungsanlage mit integrierter Führerstandsignalisierung.